Hamburg, den 26.05.2021
Sehr geehrter Haseloff,
ich habe in den letzten Monaten durch berufliche Projekte viel mit jungen Menschen zu tun gehabt. Jugendlichen, die sich für die Zukunft unseres Landes einsetzen. Sie mitgestalten möchten und darauf brennen, ihre Ideen und Träume zu verwirklichen. Die aber eingesperrt in ihren Kinderzimmern auf das Studierendenleben, das Reisen, das Auslandssemester, die Feiern verzichten – weil sie aus voller Überzeugung Solidarität üben mit der älteren Generation.
Jugendliche, die aber auch voller Angst und Sorge in ihre eigene Zukunft blicken. Nicht wissen, was an Umweltkrisen, Pandemien und damit verbundenen wirtschaftlichen und finanziellen Lasten noch auf sie zukommen wird. Die sich fragen, wie sie mit all ihren Ängsten und Belastungen umgehen können – und dennoch solidarisch sind mit einer Generation, die gleichzeitig der fortschreitenden Umweltverschmutzung und Klimabelastung tatenlos zusieht.
Erst neulich hat das Bundesverfassungsgericht festgestellt: die Bemühungen der Politik zum Klimaschutz reichen nicht. Unsere Generation hat nicht das Recht, die Quittung für unseren Wohlstand und unser Anspruchsdenken unseren Kindern und Enkeln zu überlassen. Es schmerzt mich daher zu sehen, dass in Ihrem Wahlprogramm Worte wie »Klimagerechtigkeit« oder »Umweltschutz« so gut wie gar nicht auftauchen. Dass sie den Abbau von Braunkohle – einem der größten Klimaschädlinge – bis zum Ende durchziehen möchten. Es bricht mir das Herz zu sehen, wie wir aus Eigennutz Kinder und Jugendliche voller Träume und Potentiale in so eine ungewissen Zukunft schicken.
Es ist die Aufgabe unserer Generation und unsere Pflicht, alles dafür zu tun, dass es unseren Kindern und Enkeln zumindest genauso gut geht wie uns. Dass wir ihnen eine intakte Natur hinterlassen – die existentiell entscheidende Basis für alles Leben. Dafür lohnen sich Opfer. Dafür lohnt sich Verzicht. Dafür lohnt sich der Kampf für eine klimagerechte Gesellschaft. Eine Gesellschaft, in der alle den Beitrag leisten, zu dem sie tatsächlich imstande sind. Und das ist weit mehr, als wir heute tun.
Ich weiß, dass Sie an herausragender Stelle stehen. Sie haben, wie wenige andere, die Möglichkeit, richtungsweisende Entscheidungen zu treffen. Und ich weiß, dass Sie ein Mensch sind, der Stehvermögen zeigen kann. Der Entscheidungen treffen kann, die heute vielleicht schwierig und herausfordernd sind. Die aber der Zukunft der jungen Menschen zugute kommen und hinter denen man aber auch noch in zehn, zwanzig oder dreißig Jahren stolz stehen kann.
Diese Entscheidungen müssen sich für Klimagerechtigkeit und Umweltschutz stark machen. Sie müssen essentiell christlichen Werten, wie der Bewahrung der Schöpfung und Nächstenliebe, verpflichtet sein. Deshalb rufe ich Sie dazu auf, sich stärker als bislang für diese Themen einzusetzen. Für unsere Kinder. Für unsere Enkel. Für die Zukunft.
Mit herzlichen Grüßen, Ilona Koglin
P.S. Dieser Brief wurde bei den Klima-Write-ins der Writers for Future geschrieben. Der Briefwechsel wird öffentlich geführt.