Lieber Herr Maier,
ich schreibe Ihnen diesen Brief, weil mir soziale Gerechtigkeit am Herzen liegt. Und zwar in Form von Klimagerechtigkeit. Denn ich glaube, nur mit einer konsequenten Klimapolitik, die fair mit den Folgegenerationen umgeht, können wir in Zukunft noch gerecht miteinander leben. Wir sind (fast) derselbe Jahrgang und beide Diplom-Kaufmann bzw. Kauffrau. Und auch ich bin eine Quereinsteigerin in meinem Beruf als Herausgeberin von Magazinen und eines Blogs für Literatur und Sachbücher. Ohne Mut und Tatkraft und ohne meine Ideale wäre eine solche berufliche Entwicklung nicht möglich. Mich treibt vor allem der Wunsch ein Bewusstsein für ein bewusstes Leben, den Klimawandel und das Artensterben über Bücher in die Welt zu tragen.
Bei meiner Recherche zu Ihrer Person war es mir besonders wichtig, Sie als Mensch einschätzen zu können, bevor ich Ihnen diesen Brief schreibe. Dabei ist mir positiv aufgefallen, dass Sie die Natur lieben und sich auch für einen nachhaltigen Tourismus in Ihrer Region stark machen. Weniger aufschlussreich fand ich dagegen ihre Ideen im Bereich Wirtschaft, die wirklich den großen Herausforderungen des Klimawandels gerecht werden können.
Als Kaufleute haben wir beide noch klassische Betriebswirtschaft gelernt:
Die goldenen Regeln von Angebot und Nachfrage, Effizienz, freien Märkten und Wettbewerb. Mit eben diesen Regeln haben wir leider in den vergangenen Jahrzehnten die Erde weitgehend ausgebeutet und auf Kosten der zukünftigen Generationen gelebt. Es sind Regeln, die von sozialem Denken und der Ethik entkoppelt sind. Überhaupt scheinen sie den Bereich Wirtschaft als freies Spiel der Kräfte, als eine Art Naturgesetz aufzufassen. Moderne Wirtschaftswissenschaftler wollen diese Grundprinzipien durch zukunftsfähigere, angepasste Wirtschaftskonzepte reformieren, in denen kein unbegrenztes, sondern nachhaltiges Wirtschaften Programm ist. Und das ist dringend notwendig, denn schon am 5. Mai 2021 war der deutsche Erdüberlastungstag. Noch vor dem globalen Earth Overshoot Day hat Deutschland seinen Teil der Natur aufgebraucht: würden alle Menschen auf unserem Planeten wie wir hierzulande im Durchschnitt leben, wären bereits ab heute die Ressourcen verbraucht, die die Erde innerhalb eines Jahres erneuern kann. Diese Verschwendung macht mich einfach nur traurig. Unbegrenztes Wachstum darf daher nicht mehr das höchste Ziel einer modernen Wirtschaftspolitik sein. Wir Deutschen könnten hier wieder eine Vorreiterrolle innerhalb von Europa einnehmen.
Ich habe aus ihren Ideen herausgelesen, dass Sie Unternehmen vor allem zum Zwecke des Erhalts von Arbeitsplätzen stärken möchten. Arbeit ist wichtig für die Menschen. Aber bitte in den richtigen Unternehmen und nicht in solchen, die absehbar nach einem unzeitgemäßen und räuberischen Prinzip wirtschaften. Diese Unternehmen weiter zu unterstützen wäre der falsche Weg für eine moderne SPD, die soziale Gerechtigkeit zum Ziel hat. Und die heißt jetzt Klimagerechtigkeit. Denn ohne echte Klimapolitik, die Klimagerechtigkeit schafft, ist auf absehbare Zeit gar kein Wachstum, Wohlstand und friedliches Miteinander mehr möglich.
Meine Bitte daher an Sie als Landtagskandidat für Thüringen: Fördern Sie nur noch Unternehmen, die von Anbeginn nachhaltig, fair und klimaneutral wirtschaften, die auch die externen Kosten des Wirtschaften: den CO2-Ausstoss, die Luftverschmutzung, das Artensterben, Ausbeutung armer Menschen – mit einbezieht.
Helfen Sie nur Gründern, die eine Wertschöpfung innerhalb einer klimaneutralen und klimagerechten Gesellschaft im Sinne haben. Fördern Sie keine Banken oder Finanzinstitute, deren Geld weiterhin für klimaschädliche Anliegen eingesetzt wird. Klären Sie ihre Bürger in ihrer eigens zugeschriebenen, unkomplizierten und aufgeschlossenen Art über die Folgen des Klimawandels auf ihr Leben in Thüringen auf.
Wie Sie finde ich es wichtig einen nachhaltigen Tourismus zu fördern. Und auch auch der Erhalt des Waldes ist unbedingt notwendig. Aber Sie als Wirtschaftswissenschaftler können weiter denken und handeln. Sie haben auch die ökonomischen Stellschrauben im Blick, mit denen das alles zu realisieren ist. Mein Vorschlag: Bringen Sie doch mal einen interdisziplinären Think Tank aus jungen Wirtschaftswissenschaftlern, Biologen, Soziologen, Agarwissenschaftlern und Philosophen zusammen und diskutieren sie mit ihnen Ideen für eine moderne Wirtschaftspolitik. Es wäre sehr spannend zu erfahren, welche konkreten Ideen dabei für Ihr Land und möglicherweise auf Bundesebene entstehen.
Ich schaue jetzt von Köln am Rhein mal öfter nach Thüringen und hoffe auf Sie. Nehmen Sie der bei Ihnen viel zu starken AFD den Wind aus den Segeln und zeigen Sie den Grünen, dass vor allem die SPD für Klimagerechtigkeit steht.
Ihre Annette Coumont