Liebe Annalena,
ich schreibe dir einen Klimagerechtigkeitsbrief.
Du bist im Moment Zielscheibe einiger unschöner Kampagnen. Ich hoffe, du kannst dir ein dickes Fell wachsen lassen. Vielleicht ist es aber auch gut, was passiert, zeigt es doch, dass gar nichts Substanzielles vorzubringen ist, und es kann auch aktivieren.
Heute schreibe ich dir aber, weil ich möchte, dass du das Thema Klimagerechtigkeit als oberste Priorität setzt, bei allem, was kommt, egal, ob du die neue Kanzlerin wirst, oder ob du in Regierung oder Opposition sein wirst.
Für mich schmeckt Klimagerechtigkeit nach einem Schluck frischen Wasser, wenn ich großen Durst habe. Dann schmeckt Wasser einfach herrlich. Und so ein Gefühl ist das, wenn ich mir vorstelle, wir leben in einer klimagerechten Welt.
Alle großen politischen Bewegungen gehören zu diesem Ziel dazu. Sie zu verbinden und gemeinsam eine Zukunft zu schaffen, darin sehe ich das Ziel der Klimagerechtigkeit. Es muss global geschehen, Gerechtigkeit gibt es nur für jede*n, sonst ist sie nicht gerecht.
Das wünsche ich mir von dir, dass du dieses Art von Verständnis in die Politik bringst: Dass wir alle gemeinsam, alle sozial-ökologischen Bewegungen, uns auf den Weg machen, dass es genauso um Gendergerechtigkeit wie um Antirassismus geht, um soziale Gleichberechtigung, fairen Handel, gute Arbeitsbedingungen im globalen Süden und hier bei uns. Um sauberes Wasser, saubere Energie, Gesundheitsversorgung, gesundes Essen, bezahlbares gesundes Wohnen. Alle Grundbedürfnisse, die Bildung, Kultur, Arbeit. All das kann zusammen gedacht werden und kann uns alle zusammenbringen, so, dass wir viele sind.
Eine gute Welt, wie wäre diese Welt?
Eine gute Wirtschaft, wie wäre sie?
Wenn du Kanzlerin wirst, wirst du dich verstricken in die Politik. Das ist wohl leider nicht zu vermeiden. Und du kennst das sicher bereits jetzt. Aber, was wichtig ist, so glaube ich: Tritt immer wieder einen Schritt zurück. Überlege genau: Was bedeutet das für die Klimagerechtigkeit? Wie könnte es noch besser der Klimagerechtigkeit dienen?
Das ist etwas, was wir alle tun müssen. Und du musst es an exponierter Stelle tun. Ob regierend oder oppositionell: Mach Klimagerechtigkeit jederzeit zur höchsten Priorität. Lass dich auf keine faulen Kompromisse ein, das wird kommen, die Versuchung, die du vielleicht als Sachzwang sehen wirst, sie wird kommen, aber widerstehe. Widerstehe solchen falschen Sachzwängen, denn: Es geht um alles. Nicht weniger als das. Es geht um das Leben, von uns, und von den anderen Tieren und um das Leben der Pflanzen. Ich glaube, dafür lohnt sich jedes Widerstehen, jeder Einsatz von Energie, Zeit und Liebe.
Das alles wünsche ich mir von dir.
Kannst du das?
Über eine Antwort würde ich mich sehr freuen.
Herzliche Grüße
H.
Dieser Brief wurde bei den Klima-Write-ins der Writers for Future geschrieben und wird auf der Homepage veröffentlicht. Ich würde mich über Ihre Zustimmung freuen, Ihre Antwort ebenfalls veröffentlichen zu dürfen.