Mit dem Denken von morgen die Probleme von heute lösen
Droemer 2021
Paperback € 16,99 | eBook € 14,99
Weil der menschengemachte Klimawandel sämtliche Lebensbereich betrifft, müssen wir gestern, heute und morgen darüber sprechen, wie wir damit umgehen wollen. Seitdem ich das begriffen habe, versuche ich als Neurowissenschaftlerin und Autorin für mehr Mut und Neugier einzutreten. Nur dann können wir kreative Lösungen auf die vielen „Was jetzt?“ Fragen finden. Das Beste am ganzen Drama: Sich aufzumachen macht uns glücklich und gesund – also: Los geht’s!
Maren Urner
Finanzkrise, Klimakrise, Coronakrise & Co.: Wir scheinen von Krisen umzingelt zu sein. Der Daueralarm verursacht ein unangenehmes Gefühl bei vielen, erzeugt Stress und Angst. Gerade im Wahljahr schüren viele Parteien zusätzlich Angst vor Veränderung – das Haltbarkeitsdatum ihrer vermeintlichen Lösungen ist jedoch schon längst abgelaufen: Sie wollen die Probleme von heute und morgen mit den Strategien von gestern lösen – eine Idee davon vermittelt ein Blick von den aktuellen Wahlslogans zu denen vergangener Zeiten.
Wo aber finden wir bessere Lösungen, mit denen wir die Krisen unserer Zeit entschärfen können? Wie schaffen wir es, angesichts des Zustands der Welt nicht durchzudrehen? Was hält viele davon ab, sich einzusetzen, obwohl wir in Sachen Klimakrise und Biodiversitätsschwund inzwischen ziemlich genau wissen, was auf uns zukommt? Und wie gelingt es uns, diese inneren Hürden zu überwinden und doch aktiv zu werden?
Mit diesen Fragen setzen wir uns auch als Writers for Future auseinander – und darum war ich so gespannt auf das Sachbuch „Raus aus der ewigen Dauerkrise“. Geschrieben hat dieses Vademecum die Kognitionswissenschaftlerin Maren Urner. Sie erklärt darin, dass wir unsere gewohnten Denkmuster ändern müssen, um die Krisen unserer Zeit erfolgreich anzugehen – und welchen Denkfallen wir dabei unterliegen.
Das Gehirn hat nämlich einige Tücken: Es neigt zur Bequemlichkeit und kann mit der Geschwindigkeit unserer technisierten und digitalisierten Welt nicht richtig Schritt halten. Setzen wir uns der Flut der schlechten Nachrichten 24/7 ungefiltert aus, merkt sich das Gehirn überdies mit jedem weiteren Schreckensbild, dass bereits alles im Eimer ist – das erzeugt das Gefühl der lähmenden Dauerkrise. Und das Krisengefühl ist ein schlechter Ratgeber: Es lässt uns kopflos und kurzfristig entscheiden – wir landen in der Denksackgasse.
Dabei sind Krisen tatsächlich Chancen, wenn wir richtig mit ihnen umgehen: Eine Krise ist im eigentlichen Sinne kein langfristiger Zustand, sondern eine, über einen gewissen Zeitraum andauernde schwierige Lage, in der sich entscheidet, wie es künftig weitergehen soll.
Damit die Geschichte zu unseren Gunsten ausgeht, müssen wir den Krisenmodus ausschalten und bessere, nachhaltigere Entscheidungen für ein gutes Leben in der Zukunft treffen. Das bedeutet vor allem, sich zu überlegen, welches Ziel wir ansteuern wollen. Und dann lösungsorientiert, kreativ und mutig denken, um dorthin zu gelangen. Nur so können wir die gefühlte Dauerkrise auflösen.
Maren Urner setzt ihr Wissen über dieses „dynamische Denken“ übrigens auch praktisch um: Sie ist nicht nur Neurowissenschaftlerin und lehrt als Professorin am Kölner Campus der Hochschule für Medien, Kommunikation und Wirtschaft (HMKW) – sie ist auch Journalistin und gründete 2016 mit anderen Perspective Daily, das erste werbefreie Online-Magazin für Konstruktiven Journalismus. Es geht dabei im Gegensatz zu den negativen und konfliktbasierten News des klassischen Journalismus um die Berichterstattung lösungsorientierter Nachrichten.
Gerade für uns als Writers for Future ist das ein guter Denkanstoß. Jede Information, die wir senden, so Maren Urner, verändert das Gehirn der Person, die sie empfängt. Neben der Chance und dem Glück, gute Geschichten für die Gegenwart zu schreiben, liegt darin auch eine große Herausforderung: Einerseits dringlich von der Krise zu berichten – also die räumliche, zeitliche und soziale Nähe klarzumachen, damit das Gehirn überhaupt versteht, dass es ernst ist. Andererseits kein lähmendes Krisengefühl zu erzeugen, indem wir einordnen, konstruktiv auf Lösungen hinweisen und Perspektiven schaffen, wie wir als Menschheit mit dem Problem umgehen können.
Eigentlich für uns als Writers for Future ein Klacks, denn wer Romane, gerade im Genre, schreibt, ist gewohnt, für seine Figuren lösungsorientiert und kreativ zu denken. Ein Roman erzählt ja bestenfalls auch nicht bis zur Krise, bricht dann unvermittelt ab und lässt Figuren wie Publikum im Regen stehen. Die Krise spielt für die Entwicklung der Figur eine entscheidende Rolle, und es gilt eine kreative Lösung zu finden, wie sie aus dieser Krise wieder herauskommt. Die Frage „Was jetzt?“, die laut Maren Urner inmitten der Krisen unserer Zeit zum Weiterdenken auffordert, ist eine wesentliche Frage in jedem Roman – wir denken beim Schreiben im besten Fall immer dynamisch. Die Lösung wird von der Figur erprobt und führt zumindest im Genre stets zum erwünschten Ende. Um an dieser Stelle den vielzitierten Oscar Wilde zu strapazieren: „Am Ende wird alles gut. Und wenn es noch nicht gut ist, ist es noch nicht das Ende.“
Wie wirksam das Geschichtenerzählen ist, wissen wir seit Jahrtausenden – Menschen lernen nicht immer durch eigene Erfahrung, sondern in dem wir uns mit heldenhaften Charakteren identifizieren. Wir sind eine Spezies, die Wissen und Erkenntnisse unabhängig von Zeit und Ort übermitteln kann, im besten Fall an viele Menschen: durch Storytelling. Wir besitzen damit schon ein Problemlösungs-Tool, das wir bisher zu wenig nutzen, wenn es um die Klimakrise geht.
Wenn wir diese weltumspannende Krise lösen wollen, setzen wir am besten auf das, was wir Writers for Future am besten können: gute Geschichten erzählen.
Geschichten, die immer wieder die Verbindung zu den wissenschaftlichen Fakten über die vom Menschen verursachte Klimaveränderung herstellen. Geschichten, die nicht bei den Schreckensszenarien stehenbleiben, sondern fragen: „Was jetzt?“Geschichten, die Kreativität und Mut bei denjenigen wecken, die unsere Texte lesen – und Lösungen und Denkangebote zeigen, die akut helfen, statt sich an den Zuständen und der Suche nach den Schuldigen aufzureiben. Geschichten, die zeigen, was Menschen verbindet, statt was sie trennt: ein „Wir“ schaffen, in dem sich Menschen einander zugehörig fühlen. Nur, wenn wir uns wirklich als globales Wir fühlen, werden wir die globale Krise überwinden – gemeinsam, indem wir kooperieren. Und wir gewinnen mit diesem „Wir“ noch so viel mehr. Vor allem aber sollten wir keine alten Narrative mehr bedienen: Erzählen wir Geschichten, die von anderem Erfolg und Wohlstand erzählen, als dem, über Geld und Macht zu verfügen. Erzählen wir stattdessen über das, was wirklich erstrebenswert ist: Zufriedenheit, Gerechtigkeit, Gemeinschaft, Zeitwohlstand, das gute Leben, eine intakte Natur. Im nächsten Liebesroman, im literarischen Debüt, im Sachbuch und ja, auch im Thriller. Es kribbelt mir in den Fingern, gleich anzufangen …
Ich hätte vor der Lektüre von „Raus aus der ewigen Dauerkrise“ nicht gedacht, dass ich daraus so viele Impulse fürs Schreiben und den Aktivismus mitnehmen könnte – und das auf so unterhaltsame Weise, denn durch den persönlichen, anekdotenhaften Stil liest sich das Buch, als unternähme ich mit einer guten Bekannten einen Spaziergang durchs Gehirn.
Einmal mehr hat mir Maren Urner bei diesem Spaziergang klargemacht, dass im Leben kaum etwas so sicher ist, wie dass sich alles ständig verändert. Das Buch lehrt uns mit Blick auf den Wahlkampf also auch, nicht denen zu trauen, die sich gegen den Wandel sperren und am Status Quo festhalten wollen – und natürlich noch weniger denen, die in die Vergangenheit zurückwollen. Beides zerstört unsere Lebensgrundlagen und auch unsere Demokratie.
Den Wandel zu einer gerechteren, gesünderen, lebenswerteren Welt für alle anzugehen, ist hingegen das Beste, was wir tun können: Nicht nur profitieren wir und die Kinder von heute schon während der eigenen Lebenszeit davon – es sorgt auch für das Gefühl eines gelungenen Lebens, wenn wir sterben. Wie eine sozialpsychologische Studie zeigt, die Maren Urner zitiert, ziehen die meisten Sterbenden eine positive Lebensbilanz, wenn etwas Bedeutsames getan haben, etwas, das die Welt zum Besseren verändert hat. Es ist also vollkommen eigennützig, sich jetzt für eine lebenswerte Welt von morgen einzusetzen.
Und das Sinnvollste, was wir tun können.
Nicht nur mit dem nächsten Buch.
Sondern jeden Tag und überall.
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Weiterer Titel der Autorin:
„Schluss mit dem täglichen Weltuntergang. Wie wir uns gegen die digitale Vermüllung unserer Gehirne wehren“, Droemer 2019
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