Sehr geehrter Herr Scholz,
mich freut, dass die SPD dem Klimaschutz in ihrem Programm einen hohen Stellenwert einräumt. Denn es ist zentral für die Zukunft der Menschheit. Mich würde sehr interessieren, was konkret geplant ist und wie Sie die Reformen umsetzen wollen?
Mir scheint, als könnte es tiefer greifenden Wandel geben, als durch das Programm klingt. So ist von der Schaffung von Arbeit durch Klimaschutz die Rede. Dies verkehrt aber die Mittel-Zweck- Relation: Nicht der Klimaschutz ist Mittel zur Erschaffung von Arbeit, sondern Arbeit sollte dem Klimaschutz dienen.
Insofern sollte vielleicht noch einmal das Thema Arbeit grundsätzlicher betrachtet werden: Es ist ja nicht so, dass Menschen, die für Geld tätig sind, mehr Respekt oder Anerkennung gebührt als Menschen, die ohne bezahlte Tätigkeit leben.
Man denke nur an das Geldmachen durch Umwelt schädigende Produktion von Dingen, die nicht gebraucht werden oder nicht in dem Umfang. Dies betrifft alles, vom 1 Euro-Plastik-Teil über die monatlichen Wegwerf-Mode-Kollektionen bis zum Automobil, das sehr viel Umwelt freundlicher wäre, wenn es länger halten würde. All das schafft zwar Arbeitsplätze – könnte durch Unterlassen allerdings einen wesentlich größeren Beitrag für die Menschheit schaffen.
Auf der anderen Seite gibt es eine große Anzahl Menschen, die schlicht andere Lebensentwürfe haben, als durch bezahlte Arbeit tätig zu sein. Wenn sie freundlich ihren Nachbarn begegnen, diese oder jene Gefälligkeit übernehmen und im übrigen wenig Auto fahren, leisten sie weit mehr als jemand, der per Dienst-Flugzeug oder -Limousine um die Welt düst, zu Arbeitsbesprechungen, die keine greifbaren Resultate bringen. Vor allem nicht im Verhältnis zum Aufwand – zu dem auch die Umweltbelastung zählt.
Beispiele gäbe es noch genug. Wichtig ist: Bezahlte Arbeit sollte nur so viel sein, wie sie Umwelt verträglich ist und sozial positiv. Dies ist bei Stunden langem Pendeln zum Beispiel nicht der Fall. Das grundsätzliche Umdenken müsste eine zukunftsfähige Regierung meiner Ansicht nach berücksichtigen.
Auch wollen Sie, laut Programm der SPD, Deutschland bis 2045 klimaneutral machen. Klimaneutralität als Ziel zu lesen, ist nicht nur für mich sehr erfreulich. Gleichzeitig meldet sich in meinem Kopf aber eine Stimme: Ist es dann nicht schon zu spät? Verschieben wir nötiges Handeln dadurch nicht wieder auf morgen? Ein Morgen, dass es vielleicht nicht gibt?
Mit freundlichen Grüßen Ellen Westphal
Dieser Brief wurde bei den Klima-Write-ins der Writers for Future geschrieben und wird auf der Homepage veröffentlicht. Ich würde mich über Ihre Zustimmung freuen, Ihre Antwort ebenfalls veröffentlichen zu dürfen.